Angespannt laufen wir durch hüfthohes Gras. Jederzeit könnten wir einem Bären begegnen. Auf dem Boden liegt ein toter Lachs, von dem offenbar nur der Rogen gefressen wurde. Nach ein paar Metern befinden wir uns im Schlick eines Flussbetts. Überall sind Abdrücke von Bärentatzen zu sehen, einige größer als meine Watstiefel in Größe 45. Nach kurzer Zeit sehen wir unseren ersten Bären...
15 Jahre lang stand Alaska auf der Liste meiner Wunschreiseziele ganz oben. Schließlich habe ich mir den Traum erfüllt und mich von August bis September drei Wochen ausschließlich der Naturfotografie in Alaska gewidmet.
Bären fotografieren im Katmai Nationalpark
Mit zwei Buschflugzeugen sind wir von Homer aus in eine abgelegene Bucht des Katmai Nationalparks im Südwesten Alaskas geflogen, um Bären zu beobachten und natürlich zu fotografieren. Unsere Gruppe besteht aus acht Teilnehmern und zwei Guides. Als wir uns den ersten Tieren nähern habe ich ein mulmiges Gefühl und bin froh, nicht allein unterwegs zu sein. In einer Gruppe soll das Risiko, von einem Bären attackiert zu werden, deutlich geringer sein als bei Einzelpersonen.
Die Bären dieser Region gehören zu den größten der Welt. Sie können dank der proteinreichen Lachse bis zu 700 Kilogramm schwer werden. Abgesehen vom Nieselregen sind die Bedingungen für die Wildlife Fotografie traumhaft. Manchmal sind wir kaum 50 Meter von einem Tier entfernt. Laut unserer Guides gab es in den 20 Jahren als Touranbieter aber keinen einzigen Zwischenfall. Das beruhigt. Oftmals ziehen sich die Bären von selbst zurück. Meine ursprüngliche Angst vor Bären lässt im Laufe des Tages deutlich nach und die Faszination für diese Tiere steigt. Der Respekt bleibt natürlich.
Gletscher und Wildlife im Kenai Fjords Nationalpark
Mit dem Mietwagen fahre ich als nächstes zu dem sehr fotogenen Exit Gletscher und wandere dort am Folgetag hinauf zum Harding Icefield. Es zählt mit 1.800 Quadratkilometern zu den größten Gletschergebieten Nordamerikas. Der Blick ist atemberaubend. Leider ist das Licht für die Landschaftsfotografie schon ziemlich hart. Gerne wäre ich bereits zum Sonnenaufgang hier oben gewesen. Da ich aber alleine unterwegs bin und Bärenbegegnungen möglich sind, wollte ich nicht schon im Dunkeln losmarschieren.
Vom Harding Icefield abgehender Exit Gletscher
Gletscherspalten im Harding Icefield
Eine Bootstour durch die Fjorde muss bei meiner Alaska Fotoreise natürlich auch sein. Neben den ins Meer kalbenden Gletschern ist die vielfältige Tierwelt für mich besonders beeindruckend. Auf der Tagestour sehe ich Seehunde, Seelöwen, Seeotter, Seeadler, Papageitaucher, Orcas, am Ufer einen Schwarzbären und sogar Schneeziegen, die im steilen Fels aber nur durch das Fernglas auszumachen sind. Das Fotografieren ist durch das Schwanken des Bootes nicht so einfach, insbesondere mit dem großen 200-500 mm Objektiv. Meist nutze ich deshalb das 70-200er an der APS-C-Kamera.
Seeotter
Seelöwen
Aialik Gletscher
Gletscherabbruch
Denali Nationalpark - Traumziel für Naturfotografen
Auf dem Weg zum Denali Nationalpark stoppe ich am Beluga Point, einem Aussichtspunkt nahe Anchorage. Zu meiner Überraschung sehe ich tatsächlich ein paar Beluga Wale, die mit der Flut in den Turnagain Arm des Cook Inlets zurückkehren. Wahnsinn! Trotz der Bezeichnung hätte ich nie damit gerechnet hier tatsächlich welche zu sehen! Fotografisch gibt so ein weißer Rücken allerdings nicht viel her und auch das Licht lässt zu wünschen übrig. Es bleibt also bei ein paar Erinnerungs-Schnappschüssen und dann geht es weiter Richtung Denali.
In den Denali Nationalpark führt eine 150 Kilometer lange Schotterpiste. Nur die ersten 24 Kilometer sind geteert und dürfen noch mit dem eigenen PKW befahren werden. Für die restliche Strecke gibt es Busshuttle. Ich nehme gleich den ersten Bus und lasse mich mit meiner Camping- und Fotoausrüstung zum Wonderlake Campground im Herzen des Parks bringen. Während der 6-stündigen Fahrt entdecke ich Karibus, einen Grizzly, einen Gerfalken und sogar ein Wolfsjunges. Neben der Tierwelt bin ich vor allem von der gigantischen Szenerie tief beeindruckt.
Der Campingplatz-Aufseher Jeff begrüßt mich und fragt, ob ich Bärenspray dabei habe. (Das ist äußerst starkes Pfefferspray zur Abwehr eines Bärenangriffs.) Ja, habe ich. Er meint: „Das ist gut so, insbesondere weil du allein bist.“ Na toll, da ist sie wieder, meine Angst vor den Bären. Laut Jeff ist aber seit längerer Zeit kein Bär mehr im Camp gewesen. Allerdings wurden in der Umgebung eine Grizzlymutter mit zwei Jungen und ein Schwarzbär gesehen.
Ich baue mein Zelt auf, verstaue das Essen und alles, was danach riechen könnte, in dem dafür vorgesehenen bärensicheren Häuschen und mache mich auf den Weg, um die Gegend zu erkunden und zu fotografieren. Beim Laufen klatsche ich alle paar Meter in die Hände und rufe „Hey Bear, go away. I’m here.“ Dabei komme ich mir ziemlich bescheuert vor, aber Sicherheit geht vor. Zu Angriffen kommt es meist dann, wenn ein Bär überrascht wird. Das möchte ich in jedem Fall vermeiden. Bei der Naturfotografie in Alaska gelten eben andere Regeln als in Deutschland.
Drei Tage verbringe ich hier. Ich möchte unter anderem fotografieren, wie sich die Alaska Range mit dem Denali im Wasser spiegelt. Der ideale Ort dafür ist der knapp vier Kilometer entfernte Reflection Pond. Allerdings zeigt sich der Denali durchschnittlich nur an einem von drei Tagen, die meiste Zeit ist er in Wolken gehüllt. Außerdem muss es windstill sein. Einmal wandere ich umsonst zum Pond, beim zweiten Mal passt alles und ich kann mein Wunschbild fotografieren. Yes! Als sich der Berg vollständig zeigt, bin ich erstaunt, wie riesig er ist. Mit seinen 6.190 Metern ist er der höchste Berg Nordamerikas. Nicht umsonst bedeutet der Name Denali „der Große“.
Die Alaska Range mit dem Denali spiegelt sich im Reflection Pond
Arktisches Ziesel vor dem Denali
An einem Tag widme ich mich einer Gruppe Karibus und folge diesen über mehrere Stunden. Dabei geht es auch durch sumpfiges Gebiet, so dass meine Füße irgendwann pitschnass sind. Aber das ist mir in diesem Moment egal. Es ist ein tolles Gefühl, in dieser grandiosen Landschaft unterwegs zu sein und die Tiere fotografieren zu können.
Nach den Tagen beim Wonderlake Campground unternehme ich noch zwei Busausflüge in den Park und kann dabei unter anderem Grizzlys, Karibus und Elche fotografieren. Die intensivste Elchbegegnung habe ich aber, als ich mit meinem Mietwagen auf den ersten 24 Kilometern unterwegs bin. In großer Entfernung sehe ich einen kapitalen Elch, der sich langsam der Straße nähert. Ich halte und steige aus, um ihn zu fotografieren. Bastfetzen hängen von seinem riesigen Schaufelgeweih herab. Er kommt direkt auf mich zu und ist irgendwann so nah, dass ich mich sicherheitshalber ins Auto zurückziehe. Unmittelbar vor mir überquert er schließlich seelenruhig die Straße.
Brooks River - Hotspot für Bärenfotografie
Nach dem Denali Nationalpark erwartet mich ein weiteres Highlight Alaskas. Von Anchorage fliege ich nach King Salmon und von dort mit einem kleinen Wasserflugzeug noch einmal in den Katmai Nationalpark, genauer gesagt zum Brooks Camp. Das Camp besteht aus ein paar Hütten und einem kleinen Zeltplatz, der von einem Elektrozaun umgeben ist. Der nahegelegene Brooks River ist mit seinem Wasserfall während der Lachswanderung ein Braunbären-Hotspot.
Brooks Falls
Rotlachse
Die Bären hier sind riesig und lassen sich aus kürzester Distanz von sicheren Plattformen aus beobachten und fotografieren. Nichts für schwache Nerven sind allerdings die 2,3 Kilometer Waldweg von meinem Zelt zur Plattform am Wasserfall. Der Weg wird nämlich auch gern von den Bären genutzt, was schon an den zahlreichen Hinterlassenschaften erkennbar ist. Ich versuche mich deshalb, wann immer es geht, einer Gruppe anzuschließen.
Einmal kommt uns tatsächlich in 30 bis 40 Meter Entfernung ein Koloss entgegen. Nach ruhigem Zureden verschwindet er schließlich im Dickicht. Vorsichtig gehen wir weiter, dann kommt er hinter uns wieder auf den Weg und folgt uns. Jetzt geht mein Puls richtig hoch. Rennen dürfen wir auf keinen Fall, also gehen wir zügig weiter, ohne zu schnell zu werden. Schließlich verschwindet er.
Dank des reichhaltigen Nahrungsangebots reagieren die Tiere hier gegenüber Menschen gelassener als es vielleicht in anderen Regionen der Fall wäre. Während man im Denali Nationalpark mindestens 300 Meter Abstand zu einem Grizzly halten sollte, gilt hier laut Ranger ein Mindestabstand von 50 Metern.
Am Wasserfall befinden sich meist sechs bis zehn Bären. Jeder hat seinen eigenen Platz und seine eigene Fangtechnik. Für Wildlife Fotografen ist das hier ein Traum. Ich muss mich disziplinieren, nicht schon in kürzester Zeit alle Speicherkarten zu füllen. Meine drei Tage Aufenthalt vergehen wie im Flug.
Polarlichter
In den letzten Tagen meiner Alaska Fotoreise erkunde ich das Land im Mietwagen. Bisher habe ich die Fotospots so gut es ging im Voraus recherchiert und meine Bilder geplant. Das mache ich übrigens bei jeder größeren Fototour. Nun bin ich ohne konkrete Ziele unterwegs. Lediglich der Matanuska Gletscher steht noch auf meiner Liste.
Für die Nacht suche ich mir Stellplätze mit schönem Ausblick und hoffe auf Polarlichter. Ich schlafe im Auto und stelle mir jedes Mal den Alarm meiner Uhr auf Mitternacht. In einer Nacht sehe ich tatsächlich einen grünen Schleier am Himmel. Schnell ziehe ich mich an und schnappe die Kamera. Fast zwei Stunden lang tanzt das Polarlicht. Ich mache zahlreiche Aufnahmen und versuche gleichzeitig mir diesen genialen Moment bewusst zu machen: Ich stehe hier im Nirgendwo von Alaska, vor mir die weite Landschaft und über mir dieses magische Polarlicht. Das Gefühl, das ich in diesem Moment empfinde, ist einfach unbeschreiblich!
Matanuska Valley mit dem gleichnamigen Gletscher
Auch in meiner letzten Nacht habe ich noch einmal Glück. Zwar leuchtet das Polarlicht dieses Mal nicht ganz so intensiv, aber es ist für mich ein wunderschöner Abschluss einer traumhaften Fotoreise!
Tipps zur Polarlicht-Fotografie findest du übrigens in meinem Blog-Artikel Polarlichter fotografieren. Wenn du wissen möchtest, welches Fotoequipment bei meiner Alaska-Tour zum Einsatz kam, dann schau dir den Blog-Artikel Naturfotografie Ausrüstung - Welche Kamera, Objektive usw.? an. Die komplette Ausrüstung, die dort aufgeführt ist, hatte ich dabei, mit Ausnahme des Tarnzelts.